Entgegnung SN-Artikel – „63-Jähriger bangt um seine Betreuung“

Entgegnung zu dem Artikel vom 6.6. 2023 „63-Jähriger bangt um seine Betreuung“
Die Aussage des Sozialabteilungsleiter Eichhorn: “Fakt sei, dass Günter Stratznig selbstständig atme
und am Handlauf gehe“, ist geeignet mich in ein falsches Licht zu rücken und eine finanzielle
Unterstützung des Landes unrechtmäßig zu beziehen – Stichwort Sozialschmarotzer.

Ich möchte daher entgegnen:


Jedes Kind kann erkennen, dass ich Schwierigkeiten mit meiner Atmung habe. Ich kämpfe täglich
darum, genug Luft zu bekommen. Bereits in Ruhe benötige ich Muskeln, die ein „normaler“ Mensch
nur bei körperlicher Anstrengung benutzt. Trotzdem reicht das oft nicht aus, und ich muss meine
Atmung durch Wippen des Oberkörpers verstärken. Um nachts schlafen zu können, werde ich durch
eine Maske beatmet. Das Beatmungsgerät unterstützt verstärkt meine eingeschränkte Eigenatmung
und wenn der Atemantrieb komplett versagt, pumpt die Maschine im voreingestellten Rhythmus Luft
in die Lungen. Dies ist für jemanden mit einer inkompletten halsabwärts Querschnittslähmung (C2) ein
günstiger Zustand.


Ich bin nicht nur ein paar Schritte am Handlauf gegangen, sondern täglich bis zu 60 Meter auf einem
Reha-Laufband
mit einer äußerst langsamen Geschwindigkeit. Leider konnte ich mich nach einem
leichten Covidverlauf bisher noch nicht richtig erholen und das Laufband blieb seit einem Jahr
unbenützt.
Mein Ziel für heuer ist, dass ich wieder fit genug werde, um am Laufband erneut
trainieren zu können.


Ob ich ein paar Schritte gehen kann oder nicht, ist meine geringste Sorge. Ich mache mir mehr Sorgen
um wie die fehlende Körper-Temperaturregulierung, da ich
nicht schwitze, verbunden mit reduzierter Sinneswahrnehmung, außerdem der möglichen
Lebensgefahr durch Blutdruckinstabilität, Kreislaufprobleme und Autonome Dysreflexie.


Blasen– oder Darmprobleme haben Einfluss auf die letzt genannten Punkte. In solchen Situationen ist
es sofort erforderlich, die Ursache zu beseitigen, z.B. die Stuhlentleerung durchzuführen, bei der der
Darm digital stimuliert und der Stuhl manuell entfernt wird. Des Weiteren habe ich einen künstlichen
Luftröhrenzugang, der täglich ein- bis zweimal gereinigt, gepflegt und abgeklebt werden muss, oft zu
unvorhersehbaren Zeiten.


Das entsprechend ausgebildete Fachpersonal vor Ort unterstützt mich seit 12 Jahren nicht nur bei
den genannten medizinischen Bedürfnissen, meiner Grundpflege und anderen alltäglichen
Problemen, sondern begleiten mich beispielsweise zur Physiotherapie aber auch bei Ausflügen.
Ich weiß nicht was die Absichten oder Pläne in Bezug auf mich sind bzw. welche Produkte es gibt, die
vielleicht besser geeignet wären. Wenn in Erwägung gezogen wird, mich auswärts in einer
stationären Einrichtung unterzubringen, würde das den Verlust meines sozialen Umfeldes bedeuten.
Ich möchte zu bedenken geben, das dies eine erheblichen negativen Einfluss auf mich haben würde.
Leben doch meine Frau, meine beiden Kinder mit ihren Familien und jetzt auch das erste Enkelkind in
Wagrain. Schon beim Gedanken an diese bedrohliche Situation machen sich körperliche Symptome
bei mir bemerkbar.


Der Unfall, verbunden mit dem ungewissen Ausgang war fast ein Jahr lang eine qualvolle Situation für
meine Familie. Es drehte sich alles um mich. Meine Frau erkämpfte damals, dass ich nach Hause
konnte, zusätzlich sollten die Kinder nicht zu kurz kommen und die Gäste in unserem
Tourismusbetrieb einen angenehmen Aufenthalt verbringen. Die aktuelle Lage erzeugt bei uns ein
Déjà-vu, und wir erkennen schmerzvoll, dass leider auch unsere psychische Stärke abgenommen hat.
Gerne würden wir die große Unsicherheit beenden und unsere Energie darauf verwenden, den Alltag
bestmöglich zu bewältigen.

Ich lade daher Sozialabteilungsleiter Eichhorn zu mir nach Hause ein, um sich selbst ein Bild zu
machen. Falls er nach dem Besuch noch Zweifel haben sollte, dass die Unterstützung nicht
gerechtfertigt ist, stehe ich gerne unabhängigen Gutachtern der Medizin und Pflege zur Verfügung.
Ich hoffe auf eine schnelle und dauerhafte Zusage der Unterstützung, um die über einen Monat
bestehende Unsicherheit endlich zu beenden und wieder ein beruhigtes Leben daheim führen zu
können.


Günter Stratznig – Wagrain am 10.06.2023